Schlagwort: Selbstfürsorge

  • Depression: Versuch eines Perspektivenwechsels

    Depression: Versuch eines Perspektivenwechsels

    Depression ist eine Reaktion des Organismus, welche man als «Einfrier-Reaktion» bezeichnet. Sie ist eine Bewältigungsstrategie, die vom sympathischen Nervensystem (Sympathikus) ausgelöst wird.

    Was bedeutet der Zustand des «Einfrierens» oder «Herunterfahrens»? 

    Wenn du an Depressionen leidest, ist dein Nervensystem in einem Zustand des «Herunterfahrens» . Dies ist sozusagen der Gegensatz zum «Kampf oder Flucht» -Zustand, in welchem dein Körper Gefahr wahrnimmt und Angst bekommt. (siehe «biologische Stressreaktionen)

    Im «Einfrier-» oder «Herunterfahr-Zustand» sieht dein Körper keinen anderen Ausweg mehr; Kampf oder Flucht sind nicht mehr möglich. Und deshalb wird dein Körper taub, um dich zu schützen. Depressionen sind deshalb nicht das «eigentliche Problem», sondern ein Problemlösungsversuch deines Organismus’ auf ein Problem. 
    Das äußert sich in dem Wunsch, sich zu verstecken, sich zurückzuziehen oder eine Art Winterschlaf zu halten, um Energie zu sparen und uns vor der Bedrohung zu schützen. Ich nahm es auch wahr, als würde ich eine riesige Mauer um mich herum bauen um möglichst nichts mehr an mich heran zu lassen. 

    Niemand wacht eines Tages plötzlich mit Depressionen auf. Dieser Prozess hat lange vor dem Auftreten der ersten Symptome begonnen.
    Ursachen für eine Depression können sehr vielseitig, vielschichtig und unterschiedlich begründet sein. Um dem auf den Grund zu gehen, diese Ursachen zu erkennen, zu lösen, los zu lassen und neue Denk-und Handlungsmuster kennen zu lernen und zu verinnerlichen, braucht es meiner Meinung nach professionelle Hilfe. 


    Wie kommt es dazu? 

    Das Gegenteil von Depression ist der Ausdruck oder Expression. Es mangelt an der Möglichkeit, Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse auszudrücken. Man kann nicht trauern, Wut nicht zeigen, Enttäuschung nicht ausdrücken, eigene Bedürfnisse werden an die Bedürfnisse anderer hintenan gestellt. Gefühle von tiefer Traurigkeit, Einsamkeit, das langsame Wegbrechen von zwischenmenschlichen Beziehungen, Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, ein Gefühl der Leere, der Taubheit, negative Gedanken und Selbstkritik – das sind oft nicht die offensichtlichen Dinge, die wir von aussen zu sehen bekommen.

    Eine Person kann glücklich, lächelnd und «normal» funktionierend erscheinen, doch hinter geschlossenen Türen kann sie in einen vollkommen tauben Zustand fallen, weil es so viel Energie kostet, den Anschein des «Normalen» oder «alles gut» aufrecht zu erhalten. .

    Was kann man tun? 

    Eine wichtige Komponente bei der Heilung von Depression ist bestimmt der Ausdruck von Depression (=Expression) in einem sicheren und mitfühlenden Raum, nicht nur im Kopf, sondern auch im Körper. Dies soll nicht mit großen emotionalen Entladungen verwechselt werden (die durchaus auch hilfreich sein können). Der Ausdruck sollte auf eine nachhaltige Weise geschehen, welche die Kapazität unseres Nervensystems respektiert. Große, intensive Entladungen können manchmal zu viel auf einmal sein.

    • Alle Art von Kreativität kann hilfreich sein: Malen, Zeichnen, Schreiben von einem Tagebuch mit Fokus auf «wie habe ich mich dabei gefühlt», Musik machen, Singen… 
    • Viele Arten von körperzentrierter Aktivitäten können auch unterstützend wirken. Wieder Körperempfindungen zu haben, sowohl durch eigene Tätigkeit, als auch im passiver/empfangender Position: Yoga, Pilates, Sport (wenn nicht als Leistungsport betrieben), körperzentrierte Therapien wie Massagen, Reiki, Chraniosakral-Therapie, Somatic-Experiencing, Kinesiologie, TCM… 
      Sich um seinen Körper kümmern ist von zentraler Bedeutung. Dies kann unter umständen auch eine medikamentöse Behandlung bedeuten. 
    • Meditation, Atemtechniken können helfen die Spitzen der akuten Krisensituationen etwas zu brechen und das Nervensystem in Momenten des Stress rascher zu beruhigen. 
    • Achtsamkeitsübungen können hilfreich sein, den Hyperfokus auf die körperlichen Symptome umzulenken und den «Blick» wieder etwas zu weiten und zu öffnen. (Beispiel: 5-4-3-2-1 Übung
    • Bewusstseins- oder Bewusstwerdungs-Übungen können helfen, das negative Selbstbild, welches bei Depressionen oft auftritt, zu relativieren und einen realistischeren Blick auf sich selbst zu bekommen. (Beispiel: Ich-bin-Baum Übung)

    Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Depression zu behandeln. Welche die Passende für dich und deine individuelle (Lebens-)Situation ist, gilt es zu entdecken und auszuprobieren. Doch etwas vom Wichtigsten ist:

    Leide nicht still! Habe Mut und sprich über deine Empfindungen, Gedanken und Ängste. Suche dir professionelle Hilfe

    Anlaufstellen für den Notfall und weiter Tipps rund um das Thema 
    Depression findest du hier:

    – 143 «Die dargebotene Hand»
    – 147 «Hilfetelefon für Kinder und Jugendliche» 
    – 0848 801 109 (Angst- und Panickhilfe Schweiz)
    – Deine Hausärztin oder dein Hausarzt
    – Equilibrium (Verein zur Bewältigung von Depression)
    – Wie geht es Dir (Kampagne zur Förderung mentaler Gesundheit)

    Nicht zu vergessen ist, dass Familien und Freunde von an Depression erkrankten Personen Unterstützung benötigen um ihre Angehörigen zu begleiten und dabei selbst gesund zu bleiben. 

    – 0800 840 400 «Stand by you» 
    – selbsthilfe.ch Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige

  • Erwachen der Selbstliebe

    Erwachen der Selbstliebe

    Neulich, bei einem Telefongespräch mit einer mir sehr nahestehenden Person, kamen wir auf das Thema Freundschaft zu sprechen. Die Person erzählte mir von einem Vorfall, der sich nur wenige Stunden zuvor ereignet hatte.

    Im Grunde ging es darum, dass sie von jemandem, mit dem sie eine jahrzehntelange, tiefe Freundschaft pflegte, erneut verletzt wurde – scheinbar ohne ersichtlichen Grund. Quasi aus heiterem Himmel.

    Nachdem sie mir die ganze Geschichte erzählt hatte, wusste ich: Es hat sich etwas verändert. Irgendetwas ist in ihr zerbrochen – oder vielleicht vielmehr aufgebrochen?

    Es kann passieren, dass selbst jahrzehntelange Freundschaften auf die Probe gestellt werden, auf Eis gelegt oder gar zerbrechen, wenn jemand beginnt, zu erwachen. Wenn jemand anfängt, den eigenen Wert, die eigene wundervolle Seele zu erkennen – und für deren Gesundheit und Unversehrtheit einzustehen.

    Viele Menschen in meinem Umfeld haben ein Herz aus Gold. Sie sind allzeit bereit, für andere durchs Feuer zu gehen. Viele von uns wurden so sozialisiert: Man passt sich an. Man hilft. Man stellt andere an erste Stelle. Man fällt nicht auf. Man steht nicht zu den eigenen Bedürfnissen oder Meinungen – aus Angst, jemandem weh zu tun.

    Den Wenigsten wurde beigebracht, was Selbstakzeptanz, Selbstliebe und Selbstfürsorge wirklich bedeuten. Und genau daraus entstehen emotionale Abhängigkeiten.

    Beziehungen oder Freundschaften, die nicht ausgeglichen sind – in denen eine Person, oft unbewusst, das Metronom darstellt und den Takt angibt, nach dem sich die andere richtet. Solche Beziehungen finden nicht auf Augenhöhe statt. Sie können lange, sehr lange gut gehen. Bis die Person, die sich zu sehr angepasst hat, erkennt:

    Wir alle haben diese Erfahrungen in irgendeiner Form gemacht. Wir wissen, dass Erwachen und Bewusstwerden selten schmerzfrei sind – manchmal auch nicht verlustfrei auf der Beziehungs- oder Freundschaftsebene.

    Doch frag dich selbst: „Was ist mir wichtiger: Um jeden Preis eine Freundschaft oder Beziehung aufrechtzuerhalten, die mich immer wieder runterzieht, mein Selbstwertgefühl ins Wanken bringt und mich klein hält? Oder bin ich mir selbst genug – fühle mich wohl, geborgen und sicher in meiner eigenen Gesellschaft, sodass ich auf emotional missbräuchliche Freundschaften nicht mehr angewiesen bin?“

    Wenn man Zweiteres wählt, hat das Konsequenzen. Schmerzliche, aufwühlende, wachrüttelnde. Aber eben auch schöne, befreiende, erhebende.

    Ich habe die Erfahrung gemacht: Wenn man mit sich im Reinen ist, zieht man immer mehr Menschen an, die einem guttun. (Andere kommen nicht mehr oder verabschieden sich – manche laut, andere still und leise.)

    Es treten Menschen ins Licht, die einem das Gefühl geben, auf gleicher Ebene zu sein. Die nicht aus jeder Meinungsverschiedenheit eine Staatsaffäre machen. Die einen nehmen und lassen, wie man ist. Die ermutigen, auf das Herz zu hören, Dinge zu tun, die Freude machen und guttun. Die immer wieder sagen: „Sorge für dich.“

    Sie sind auch diejenigen, die im Sturm an deiner Seite stehen – so, wie du es gerade brauchst. Die dir den Spiegel vorhalten, dich liebevoll anschubsen oder dich einfach schweigend in den Arm nehmen.

    Ihre Liebe ist nicht an Bedingungen geknüpft. Es gibt keine Bilanzrechnung, wer wem wann wie viele Gefallen getan hat. Und keine Buchführung darüber, wer wem was noch schuldig ist.

    Ich bin meiner Chosen Family zutiefst dankbar, dass sie mir diese Liebe immer wieder aufs Neue schenkt. Dass ich nach vielen anderen Erfahrungen erleben darf, dass es bedingungslose, wahre Freundschaft und Liebe tatsächlich gibt.

    Nichts anderes hast du, habe ich, haben wir alle verdient.

    Es lohnt sich, den Weg zu Selbstakzeptanz, Selbstliebe und Selbstfürsorge zu gehen. Es ist kein Sonntagsspaziergang am Seeufer. Es ist eine Berg- und Talfahrt. Man bekommt wunde Fusssohlen, vielleicht auch Blasen.

    Doch der Frieden, die Freiheit und die Geborgenheit, die man dadurch gewinnt – sind es am Ende mehr als wert.

    Keep on keeping on.